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Organisation und Durchführung der Jägerprüfung als (steuerfreier) Zweckbetrieb

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) begründet ein gemeinnütziger Verein, zu dessen satzungsmäßigen Zwecken auch der Naturschutz und die Landschaftspflege gehören, mit der Durchführung der Jägerprüfung einen allgemeinen Zweckbetrieb nach § 65 Abgabenordnung (AO). Die Bindung des Jagdrechts an die Pflicht zur Hege und die strenge Reglementierung des Jagdausübung begründeten eine dem Gemeinwohl verpflichtete naturschützende Tätigkeit. Dadurch, dass der Verein den Jägern die Zugangsberechtigung für ihr naturschützendes Handeln verschaffe, dienten seine Aktivitäten untrennbar der Verfolgung der eigenen steuerbegünstigten Zwecke. Der Zweckbetriebseigenschaft stehe nicht entgegen, dass der Kläger die Aufgaben der Organisation und Durchführung der Jägerprüfung aufgrund einer Beleihung wahrnimmt. Auch die Voraussetzungen von § 65 Nr. 2 und Nr. 3 AO seien erfüllt. Schließlich sei die Steuerbefreiung für die Organisation und Durchführung der Jägerprüfung keine unionsrechtlich unzulässige Beihilfe. Denn die Steuerbefreiung sei weder geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen noch den Wettbewerb zu verfälschen; der Kläger handele bei der Organisation und Durchführung der Jägerprüfung als Behörde i.S.v. § 6 Abs. 1 AO.

(BFH, Urt. v. 21. April 2022 – V R 26/20)

Fehlende Gemeinnützigkeit bei Förderung abgeschlossener Personenkreise und Satzungserfordernisse

1. Eine Körperschaft, die Kinderbetreuungseinrichtungen betreibt, fördert nicht die Allgemeinheit, wenn sie bei der Belegung der Plätze die Belegungspräferenz ihrer Vertragspartner, bestimmter Unternehmen, in der Weise berücksichtigt, dass sich der geförderte Personenkreis nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.

2. In der Satzung sind die jeweils verfolgten steuerbegünstigten Zwecke soweit wie möglich zu konkretisieren.

(BFH, Urt. v. 1.2.2022 – V R 1/20)

BFH: Fehlende Gemeinnützigkeit bei unverhältnismäßig hoher Geschäftsführervergütung

1. Zur Feststellung von Mittelfehlverwendungen i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO durch überhöhte Vergütungen an den Geschäftsführer einer gemeinnützigen Körperschaft sind die Grundsätze der vGA zu berücksichtigen. Maßstab des externen Fremdvergleichs sind dabei die für vergleichbare Tätigkeiten auch von Wirtschaftsunternehmen gewährten Vergütungen.

2. Gewährt die Körperschaft ihrem Geschäftsführer eine Versorgungszusage, die über eine Unterstützungskasse erfüllt wird, ist der für den Geschäftsführer liegende Vorteil in Höhe der fiktiven Jahresnettoprämie in die Gesamtausstattung einzubeziehen.

3. Ein Entzug der Gemeinnützigkeit ist bei kleineren Verstößen gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 AO unverhältnismäßig (Bagatellvorbehalt)

(BFH, Urteil vom 12. März 2020 – V R 5/17)

BFH: Gemeinnützige Körperschaften haben kein allgemeinpolitisches Mandat

Mit Urteil vom 10. Januar 2019 (V R 60/17) hat der Bundesfinanzhof (BFH) – zu Lasten des attac-Trägervereins – entschieden, dass gemeinnützige Körperschaften kein allgemeinpolitisches Mandat haben.

Leitsätze:

„1. Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i.S. von § 52 AO. Eine gemeinnützige Körperschaft darf sich in dieser Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient.

2. Bei der Förderung der Volksbildung i.S. von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO hat sich die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung auf bildungspolitische Fragestellungen zu beschränken.

3. Politische Bildung vollzieht sich in geistiger Offenheit. Sie ist nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen.

4. Bei der Prüfung der Ausschließlichkeit der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweckverfolgung und der tatsächlichen Geschäftsführung nach §§ 56, 63 AO kann zwischen der Körperschaft als „Träger“ eines „Netzwerks“ und den Tätigkeiten des unter dem gleichen Namen auftretenden „Netzwerk“ zu unterscheiden sein. Dabei sind alle Umstände einschließlich des Internetauftritts der Körperschaft zu berücksichtigen.

5. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist nicht frei widerrufbar. Auf einen Verzicht des beigetretenen BMF kommt es nicht an.“

Gemeinnützigkeit – Förderung demokratischen Staatswesens

Gemeinnuetzigkeit – Foerderung demokratischen Staatswesens 02.pdf

Das Gemeinnützigkeitsrecht als „Spielball“ politischen Kalküls? Schlagzeilen hat jüngst der Fall eines globalisierungskritischen Netzwerks hervorgerufen, in dem die Finanzverwaltung der in der Rechtsform eines Vereins organisierten Einrichtung im Jahr 2014 den Status als steuerbegünstigte Körperschaft entzogen hat – und zwar rückwirkend von 2010 an. Dieser Beitrag widmet sich somit der Reichweite der „Förderung des demokratischen Staatswesens“ (= gemeinnütziger Zweck!) durch steuergegünstigte Körperschaften.

Das Hessische Finanzgericht hat am 10. November 2016 in dem Finanzrechtsstreit um die Aberkennung der Gemeinnützigkeit eines zur Erreichung des nach der Abgabenordnung anzuerkennenden Satzungszwecks politisch tätigen Vereins („Attac Trägerverein e.V.“) durch das Finanzamt Frankfurt am Main III geurteilt, dass der Verein in den Streitjahren 2010 bis 2012 als gemeinnützig im Sinne der AO anzuerkennen ist. Die schriftliche Urteilsbegründung steht gegenwärtig noch aus. Da das Gericht keine Revision zugelassen hat, bliebe der Finanzverwaltung allenfalls die Möglichkeit, sich mit einer sog. „Nichtzulassungsbeschwerde“ an den Bundesfinanzhof (BFH) zu wenden. Das Urteil ist daher gegenwärtig (12. November 2016) noch nicht rechtskräftig. 

Hier gelangen Sie zu der Pressemitteilung des Hessischen Finanzgerichts

Haben Sie Fragen Rund um das Thema „Gemeinnützigkeit“?

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